Hallo Leute, ganz ehrlich, als ich erstmals vom Ausbruch des neuartigen Coronavirus im chinesischen Wuhan gehört habe, nahm ich das als ein Problem wahr – ganz weit weg. Wie wahrscheinlich die meisten von uns. Und wie so vieles, was in unserer Welt geschieht. Headline, Info, registriert, abgehakt.
Beim Schreiben dieses Blogbeitrages frage ich mich: Warum ist das so? Ich bin ein empathischer Mensch, ich bin ein Menschenfreund, ich denke in Lösungen und nicht in Problemen. Warum hat diese erste Meldung damals nicht mehr als ein „ok, hab’s wahrgenommen“ bei mir ausgelöst? Wo ist da meine Empathie? Ein unbekannter Virus bringt Leid, da braucht man keine lange analytische Schlussrechnung durch den Kopf zu jagen.
Wir leben in einem Spannungsfeld: Vieles ist nah und gleichzeitig weit weg. Wir leben in einem Raum, der immer stärker orts- und zeitungebunden ist. Was real und irreal ist, verschwimmt für uns immer mehr. Auch was richtig und falsch ist, wird nicht erst, seit Donald Trumps „alternative facts“ immer breiter relativiert. Und das alles gepaart mit einer Informations- und Reizüberflutung mit der Wucht eines Tsunamis.
Die Summe daraus führt dazu, dass ein menschliches Konstrukt (das gerade uns Kommunikatoren essentiell beschäftigt) immer wichtiger wird und gleichzeitig, so paradox es klingt, immer mehr ins Hintertreffen gerät: unsere Betroffenheit. Vieles auf diesem Planeten macht uns nicht mehr betroffen. Und von vielem fühlen wir uns schlicht nicht betroffen. Wir schwelgen im Individualismus und haben eine unheimlich ausgeprägte Sensibilität entwickelt, was diesen eigenen Individualismus betrifft. Wird der subjektiv nur minimalst angekratzt, herrscht bei den meisten gleich „Alarmstufe rot“. Aber abseits davon sind wir als Kollektiv und wohl auch als Individuen in hohem Maße abgestumpft. Ein gesellschaftliches Phänomen, das sich über viele Teile unserer Welt in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in einer ähnlichen Pandemie verbreitet und eingeschlichen hat - wie aktuell das Coronavirus.
Diese Bipolarität, dass wir als Individuen und als Kollektive über so viele Probleme dieser Welt wissen, der absolute Großteil für uns aber psychologisch und auch emotional „ganz weit weg“ ist, hat uns abgestumpft. Wir nehmen zur Kenntnis. Wir konsumieren, ohne zu reflektieren. Mir fällt ein Spruch eines früheren Managementkollegen in meinen Konzernzeiten ein. Er sprach gerne vom „PAL“: Problem anderer Leute.
Krieg in Syrien und notleidende Flüchtlinge? PAL! Hungersnot in Afrika? PAL! Buschbrände in Australien? PAL! Ebola- und Malariaepidemien in Afrika? PAL Vernichtung von Regenwäldern in Brasilien? PAL! ….
Und jetzt? Das Coronavirus ist plötzlich kein PAL mehr. Jetzt ist es da, nicht in Wuhan, nicht irgendwo in Gegenden auf diesem Planeten, aus denen zutiefste Betroffenheit bei uns längst keine Betroffenheit mehr auslöst. Nein es ist unmittelbar da: in Wien, Linz, Leonding, Ischgl, … Unsichtbar. Un(be)greifbar. Die Angst vor dem Unbekannten und die Unmittelbarkeit, das führt zu einer Betroffenheit der Menschen, die enorm ist. Nichts mehr mit weit weg. Nichts mehr mit eigentlich irreal. Ich kann mich an kein anderes Ereignis in meinem Leben erinnern, das eine ähnlich hohe kollektive und individuelle Betroffenheit bei uns ausgelöst hätte. Vielleicht noch ansatzweise die Atomkatastrophe in Tschernobyl 1986.
Und die aktuelle Betroffenheit steigt momentan gefühlt ebenso exponentiell wie die Verbreitungskurve des Virus selbst. Doch die Betroffenheit hat mehrere Gesichter. Viele machen sich sorgen, dass ihre Lieben, die vielleicht zu Risikogruppen gehören, bzw. sie selbst krank werden – und vielleicht Schlimmeres. Das ist absolut verständlich. Andere fühlen sich nicht krank, aber gekränkt, in ihrem Individualismus, in ihren Interessen, in ihrem Selbstverständnis der Welt, die scheinbar um sie zu kreisen hat, kritisieren das, was passiert als falsch, überzogen, inszeniert, dumm. Dazu hält sich mein Verständnis in absolut engen Grenzen. Wer durch die sozialen Medien surft, kann unterschiedlichste Ausprägungen und Stilblüten dazu bewundern – quer durch alle Gesellschafts- und Berufsschichten. Gott sei Dank mit jetzt abnehmender Intensität.
Ein Beispiel: „Welche Krise?“ – So reagierte ein Herr am 11. März, als man schon viel Realitätselastizität aufwenden musste, um das Coronavirus kleinzudenken, auf einen Post von mir zu Fragen des Managements rund um das Coronavirus. Und unterstellte mir damit im gleichen Atemzug „verzweifelt mit Panikmache Geld machen zu wollen“. Wer mich kennt, weiß, so was lässt mich nicht kalt (obwohl es mich wohl kalt lassen sollte).
Ja klar, ich bin Unternehmer und es geht darum, Bedürfnisse am Markt zu decken. Und klar, ich lege das Ohr auf den Markt und versuche, die Bedürfnisse im Optimalfall zu antizipieren und mit mehrwertbringenden Leistungen zu decken. Und ja klar, Leistung darf Gegenleistung bekommen. Aber nein, es geht weder um Panikmache noch um verzweifelt Business machen! Denn das würde bedeuten, ein Bedürfnis durch Überzeichnen von Sachlagen zu konstruieren und den potentiellen Kunden glauben zu machen, es sein eines seiner Top-Bedürfnisse. Und es würde bedeuten, mit Preisen abzuzocken.
Als das Coronavirus in Italien aufschlug, war für uns klar: Es gibt dringenden Handlungsbedarf für Manager und Entscheider in unserem Land. Wir haben sofort begonnen, Supportleistungen auszuarbeiten. Und wir haben im Team auch das Pricing besprochen und von Beginn an festgelegt: Wir gehen speziell bei unseren Papers auf ein Preisniveau, das auch ein kleines Unternehmen, das vielleicht schon mit dem Rücken an der Wand steht, ohne Probleme leisten kann. Unternehmerisches Denken ja – aber eben gesamthaft. Wir wissen, dass wir mit unserem Know-how auch einen kleinen, aber so denken wir hilfreichen Beitrag leisten können, dass wir als Kollektiv, als Gesellschaft die Coronavirus-Prüfung möglichst gut bestehen können. Denn wir sind mittlerweile weltweit an einem Status angelangt, den man als Krise bezeichnen muss. Und doch wird eine Krise erst zur Krise, wenn man sie durch Passivität zulässt.
In Österreich gehen die Entscheider einen stringenten, sachlichen, strukturierten Weg. Wir dürfen uns dem Coronavirus nicht schicksalhaft ergeben - das wäre der Fall, gäbe es keine Maßnahmen in unserer Gesellschaft. Und wir müssen versuchen, die Krise – gerade auch in der Wirtschaft – durch ebenso stringente, strukturierte Vorgehensweise so gut es geht abzuflachen. Wir müssen alle gemeinsam anpacken. Und wir müssen alle konstruktive Betroffenheit zeigen. Das möchte ich gerade auch denjenigen mit Nachdruck sagen, die selbst heute noch im Zusammenhang mit dem Coronavirus von Panikmache, Übertreibung, falschen Maßnahmen, Verschwörungen, politischer Inszenierung usw. sprechen.
Denn von einem bin ich überzeugt: Ein starkes Ich ist nur in einem starken Wir möglich! Wir müssen jetzt alle noch mehr zusammenhalten! Packen wir’s an!
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