Hallo Leute, wir stehen Ende Oktober 2020 in Österreich vor dem 2. Lockdown, zwar einem „Lockdown light“, aber ein Rückenwind für die Wirtschaft sieht anders aus. Und die Arbeit über Homeoffice wird wieder deutlich an Intensität zunehmen. Das ist das Ende der klassischen Führung, wie wir sie kennen – wohl nicht nur temporär. Impulse für den CxO, die HR-Leitung und ja, die Führungskräfte selbst.
Krisen haben eine große Gemeinsamkeit: Sie zeigen angeschlagene und schwache Strukturen, Systeme und Verhaltensweisen nicht nur schonungslos auf, sondern überfordern diese geschwächten Bereiche und bringen sie im worst case zum Kollabieren. Die Coronakrise ist hier nicht anders. Doch während die öffentliche Diskussion über die Auswirkungen auf die Gesundheit, die Wirtschaft oder die öffentlichen Finanzen mit großer Vehemenz und oftmals unüberbrückbar scheinender bipolarer Ausprägung geführt wird, bleibt ein Bereich im Wirtschaftsleben im Getöse überraschend unbeachtet: die Auswirkungen der Coronakrise auf die Führung bzw. Führungsperformance.
Problemfall Führung
Es ist kein Geheimnis: Viele Unternehmen haben ein Führungsproblem – nicht erst jetzt, schon vor Corona. Manchmal von der Top-Führung ausgehend. In den meisten Fällen aber, was das mittlere Management anbelangt. Warum? Hier sind doch hochkompetente Menschen am Werk? Genau darin liegt die Schwäche. Denn wie sieht der klassische Karrierepfad zur Führungskraft (immer noch) aus? Ein verdienter Mitarbeiter, der sich im Laufe der Zeit als Experte bewiesen hat, bekommt irgendwann einmal Projektverantwortung. Macht er hier einen passablen Job, folgt die nächste Projektverantwortung. Und dann ist es bis zum ersten Führungsjob nicht weit.
Führungskräfte werden vorrangig aus Fachleuten geboren – und nicht vorrangig, weil sie in sich die Neigung zum Leader, zum Vorbild, zum Sinnstifter, zum Zielgeber, zum Förderer und Entwickler, zum Menschenfreund in sich tragen. Natürlich sollten beide Aspekte wie Yin und Yang miteinander verschmelzen: Denn eine fachlich inkompetente Führungskraft ist ein Desaster. Aber die sozial inkompetente Führungskraft ist eine Katastrophe. Das wird jetzt im Lockdown 2.0 und beim wieder intensivierten Homeoffice nicht nur noch schmerzlicher spürbar, sondern es wird erfolgskritisch für die Organisation.
Worin liegen Kernherausforderungen?
Mitarbeiter, die das Unternehmen mangels richtiger Führungsleistung endgültig zu verlieren droht:
verängstigt – auch, aber gar nicht vordergründig wegen Corona, sondern weil in dieser Zeit gewohnte Weltstrukturen wegbrechen und Stabilität verloren geht, weil nicht nur Sicherheit fehlt, sondern auch eine gemeinsame Ausrichtung, die Halt geben könnte.
uninformiert – war es schon bisher eine Kunst, die gesamte Belegschaft halbwegs stringent im Infofluss zu halten, so wird das bei dynamischen Rahmenbedingungen bei gleichzeitig größerer räumlicher Distanz nicht einfacher – im Gegenteil.
demotiviert – weil subjektiv als nicht wertgeschätzt behandelt gefühlt, weil Zielkongruenzen zwischen Unternehmen und dem einzelnen Mitarbeiter nicht passend hergestellt werden bzw. jetzt unter die Räder zu kommen drohen.
Organisationen, die durch die Rahmenbedingungen und eine heterogene und als Folge der Krise fragmentierte Struktur an operativer Problemlösung und strategischer Ausrichtung zu verlieren drohen.
Märkte, die mangels Führungsarbeit und Fokus auf den Krisenmodus gar, zu wenig oder einfach schlecht betreut und bearbeitet werden.
Die Führungsdenke „08.00 – 17.00 Uhr-Arbeitstag“, „Anwesenheit = Leistung“, „Mitarbeiter = Produktionsfaktor“ oder „MBO war einmal eine Elektronikmarke“ ist zwar längst out-of-date, doch noch immer (viel zu) weit verbreitet – unabhängig vom Alter der Führungskraft. Denn damit sind sie in diesen Zeiten nicht nur sinnbildlich schachmatt, sondern richtigen irreversiblen Schaden an.
CxO, HR: befähigt eure Führungskräfte!
Führungskompetenz ist eine Kombination aus Neigung, Können und Wollen. Die Coronakrise zeigt jetzt schonungslos auf, wenn hier Lücken sind. Diese lassen sich nicht über Nacht schließen, aber ein vierteiliger First-Aid-Kit kann helfen, sie zumindest zu reduzieren. So führt man Führungskräfte aus dem Führungs-Schachmatt:
Führt die Führungskräfte: Führungskräfte brauchen selbst Führung, um optimal arbeiten und wirken zu können. Intensivieren Sie die Führungsarbeit mit Ihren Führungskräften, auch wenn dazu auf den ersten Blick die Ressourcen nicht gegeben sind und social distancing dem zusätzlich entgegenzuwirken scheint.
Intensiviert die (Führungskräfte)Kommunikation: Führungsschwäche kann durch eine intensivierte professionelle Kommunikation zwar nicht aufgehoben, aber doch minimiert werden. Denn sie kann das übernehmen, was eigentlich die Führungskräfte hätten tun sollen: wertschätzen, informieren, Richtung vorgeben, Sicherheit bieten, motivieren.
Führungshilfen anbieten: Gebt den Führungskräften Argumentationen, Kernbotschaften, Zielsetzungen, Meilensteine an die Hand, die diese Richtung Belegschaft kommunizieren oder gemeinsam mit Leben erfüllen können – erst recht, wenn die Zusammenarbeit durch Homeoffice in den remote mode gewechselt ist.
Sinn geben: Orientierungslosigkeit ist immer ein Demotivator. Jetzt in der Coronakrise ist sie zusätzlich ein Sicherheitsräuber – auch für Führungskräfte. Nützt die turbulente Zeit, um die eigene Organisation neu auszurichten und mit einem Leitbild mit Mission, Vision und Werten eine klare Ausrichtung zu geben, die vorgelebt, vermittelt und gemeinsam realisiert wird. Damit erhalten Führungskräfte einen Mikrokosmos, der Führungsschwächen hemmt und das Team beflügelt.
Und forciert „Führung neu“:
Führung über Distanz: Gefürchtet, gemieden, wird aber in Zeiten heterogener Organisationsstrukturen und virtueller Meetings immer mehr. Das heißt: Präsenz der Führungskraft wird immer wichtiger, nicht „kontrollierend“, sondern „begleitend“. Es wird noch wichtiger, Etappenziele zu vereinbaren, Handlungskorridore für die Mitarbeiter zu definieren, regelmäßige Rücksprachen einzuplanen. Und die physische Präsenz wird immer wertvoller – plant sie gut ein und setzt sie sorgsam um.
Vorbild zum Quadrat: Was Führungskräfte gerne nicht so wahrhaben wollen: Sie sind essentielle Vorbilder. Agiert also so, wie ihr wollt, dass eure Mitarbeiter agieren – egal, ob im persönlichen Kontakt, am Telefon, per Email, im virtuellen Teammeeting. Und vor allem auch bei der Herangehensweise an Problemstellungen, Aufgaben etc. Die Zeiten sind endgültig vorbei, in denen die Führungskraft die sinnbildliche Hand der Mitarbeiter führt bzw. führen kann und führen soll.
Coach your people: Die Führungskraft neu ist noch stärker als bisher Trainer, Coach, Begleiter, Supporter – und das allumfassend. Wer sich in der Führung nur auf die Zahlen des Bereiches versteift, tut so, als wären seine Mitarbeiter Maschinen, die man nur gelegentlich ein bisserl ölen muss, damit sie funktionieren. Menschen wollen holistische Sichtweisen, aber höchstindividuelle Umgangsweisen. Sie wollen nicht nur wertgeschätzt, sondern auch verstanden und unterstützt werden. Stärker denn je wird es darauf ankommen, seine Mitarbeiter auf ihrem Lebensweg, der sich mit dem Berufsweg überschneidet, als Führungskraft zu unterstützen und zu begleiten. Erst recht in Zeiten vermehrter Unsicherheit und Orientierungslosigkeit.
Management by delegation: Klingt alt, viele tun sich schwer damit, ist aber unerlässlich. Die Welt von und nach Corona wird für Unternehmen nur mehr dann packbar sein, wenn alle anpacken – können, dürfen, wollen und sollen. Das heißt die Zentrierung jeder Entscheidung und jedes elementaren Prozessschrittes bei Führungskräften kann nicht mehr funktionieren. Wer das versucht, öffnet die Tür ins eigene Burnout und für seine Mitarbeiter die Tür in die volle Motivationslosigkeit. Also lernt loszulassen. Und ja: MBO war tatsächlich mal eine Elektronikfirma, steht aber für den schon längst bekannten Stil des Managements by Objectives. ;-)
Abschließend noch ein aus meiner Sicht wichtiger Tipp: Proaktiv und beweglich bleiben!
Der Lockdown 2.0 soll Kontakte bremsen und so das Virus ausbremsen. Er hat damit aber auch das Zeug, die Wirtschaft in eine Schockstarre fallen zu lassen. Dass das nicht passiert, hat jeder selbst in der Hand – vom CxO ausgehend über die gesamte Führungscrew bis hin zur Belegschaft. Denn auch wenn sich Rahmenbedingungen und Tools ändern, die Kernaufgaben bleiben dieselben – gerade auch für und in der Führung. Also: tun und nicht wegschauen oder abwarten!
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