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  • AutorenbildPeter Weixelbaumer

„Das Validität der Komunikation ist ein Hund!!“

Hallo Leute. Die Causa Bundesministerin Aschbacher und die Diskussion über die Güte ihrer Diplomarbeit bzw. Dissertation haben ein Thema in die öffentliche Betrachtung gespült, das zwar immer virulent ist, phasenweise sogar intensiv und breit diskutiert wird (Stichwort Coronakrise) und trotzdem meist sträflich unterschätzt oder ignoriert wird. Dabei ist es grundlegend erfolgskritisch für alles, egal ob Business, Politik, Interessensvertretung, Wissenschaft oder generell die Gesellschaft selbst. Und ich behaupte, es ist heute ein gesellschaftlicher Game-Changer: die Validität der Kommunikation.


Zu Beginn ein kleiner Exkurs: Kommunikation ist generell so eine Sache. Paul Watzlawick, der bekannte amerikanische Kommunikationswissenschafter mit österreichischen Wurzeln, prägte bekanntlich den Satz: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Kommunikation ist demnach immer da, sobald zwei oder mehr Menschen anwesend sind und zumindest einer von dem bzw. den anderen weiß. Dann findet automatisch ein kommunikativer Prozess statt - und sei er nur in den Köpfen, was denn der andere denke und tue. Kommunikation „passiert“, sie ist ein automatisches psychologisches bzw. zwischenmenschliches Phänomen. Doch wie lässt sich so etwas mit einer Güte belegen und messen? Was ist Kommunikationsqualität?


Alltäglich und doch schwer greifbar

Gerade sehr hard fact orientierte Menschen betrachten Kommunikation als aus deren Sicht zwar alltägliches und so fast banales, aber gleichzeitig schwer greifbares Konstrukt immer etwas mit Argwohn. Als Kommunikationschef eines großen BMW Forschungs- und Produktionsstandortes im oberösterreichischen Steyr hatte ich einmal eine spannende Diskussion mit einer Führungskraft aus der Produktion. Diese meinte schließlich zu mir, ob denn nur ein einziger Motor weniger von den Bändern laufen würde, wenn wir unsere damalige Kommunikation als Standort spürbar anders machen oder gar gänzlich streichen würden. Meine Antwort war – und ist: Ja, denn Kommunikation ist ein wesentliche Verhaltenstreiber. Und Verhalten macht Erfolg – oder Misserfolg.


Kommunikation ist also trotz Alltäglichkeit und Omnipräsenz weder banal noch für den Erfolg egal. Und sie weist definitiv keine „konstante Validität“ also stabile Güte auf. Denn wäre das alles der Fall, wäre Erfolg ein inflationäres Massenphänomen. Und wie auch immer man Erfolg definiert, zumindest im kompetitiven Bereich ist er definitiv kein alltägliches Breitenereignis.


Validität und Güte von Kommunikation sind von vielen Faktoren abhängig. Die Plagiats- und Qualitätsvorwürfe gegen die wissenschaftlichen Arbeiten der nunmehr ehemaligen Bundestministerin Aschbacher haben den Lichtkegel der Aufmerksamkeit auf einen Aspekt gelenkt: auf die inhaltliche Validität.

Diese hat mehrere Dimensionen. Aber nur eine davon steht in der Regel außer Streit: die Rechtschreibung bzw. Grammatikregeln.


Dimensionen der inhaltlichen Validität

Manche mögen sich beim Lesen meines Blogbeitrages gedacht haben: Der Weixelbaumer ist ganz schön „schlampert“, schreibt in der Blogbeitrag-Headline statt „die Validität“ mit „das“ einen falschen Artikel und dann auch noch „Komunikation“ mit nur einem „m“. Sorry, gezielte Irritation musste hier einfach sein ;-). Rechtschreibung und korrekte Grammatik sind eine Dimension der inhaltlichen Validität von Kommunikation.

Auch wenn die Rechtschreibreformen der vergangenen Jahrzehnte zu einer deutlich breiteren Auslegung der Regelungen geführt haben, so lässt sich doch relativ klar eine richtige oder falsche Schreibweise erkennen. Rechtschreibung ist ein wichtiger Aspekt der inhaltlichen Validität, der Professionalismus und Know-how ausstrahlt. Jeder hat es wohl schon erlebt, dass ein Text inhaltlich in den Hintergrund trat, weil er durch Rechtschreibfehler den Konsens der Rechtschreibregeln verließ. Rechtschreip- oder auch Dippfähler iridieren einfach! Und lencken ab! ;-) Glaubwürdiger wird so ein Inhalt nicht wirklich.


Es ist also keine Frage: Eine korrekte Rechtschreibung ist für eine erfolgreiche Kommunikation wichtig bzw. Grundvoraussetzung. Und es gehört zum Standard dazu, Qualitätsinstrumente dafür einzusetzen, wie zum Beispiel die Rechtschreibprüfung von Word oder auch ein „4-Augen-Prinzip“ vor Verwendung eines Textes. Aber letztlich ist diese Form der inhaltlichen Validität der Kommunikation dennoch nicht der große Verhaltenstreiber und damit im Ergebnis weniger wichtig als andere Aspekte der inhaltlichen Validität.


Die Sache mit den Plagiaten

Ein zweiter Aspekt der inhaltlichen Validität von Kommunikation ist die Kennzeichnung fremder Ideen, Gedanken bzw. fremden Wissens. Das ist vor allem in wissenschaftlichen Arbeiten, aber eben nicht nur dort zurecht ein wesentliches Qualitätskriterium. Macht man es sauber und transparent, nennt man es wörtliches oder sinngemäßes Zitieren – unter Angabe von Quellen. Macht man es nicht, spricht man von Plagiat.


Das zuvor platzierte Zitat von Watzlawick ist ein Beispiel dafür. Das Zitat ist sehr bekannt. Manche kennen es aber vielleicht noch nicht. Hätte ich Watzlawick als Zitatgeber weggelassen, entstünde der Eindruck, der Satz stamme von mir.


Das Beispiel zeigt: eine saubere Vorgehensweise mit geistigem fremden Eigentum ist keine Raketenwissenschaft. Dennoch hört man auch jetzt angesichts der öffentlichen Diskussion zu Plagiatsvorwürfen bei wissenschaftlichen Arbeiten in öffentlichen Diskussionen immer wieder: „Das kann ja passieren, das kann ja ganz schnell gehen, dass man als Verfasser etwas übersieht.“ Sorry, dem möchte ich hier klar widersprechen. Jeder, der einmal selbst wissenschaftliche Arbeiten verfasst hat, der weiß, dass es quasi in einem Arbeitsschritt geht, Inhalte wortwörtlich als Zitat oder sinngemäß in eine eigene Arbeit zu integrieren und als Fußnote die Quelle anzugeben.


Das muss man quasi in einem Schritt machen, denn nachträglich Passagen aus anderen Texten im eigenen Dokument herauszusuchen, im nächsten Schritt die Quellen zu suchen und dann ins eigene Dokument einzuarbeiten ist ein ungefähr so „schlanker und realitätsnaher“ Prozess wie einen Schweinsbraten zu kochen und während des Kochens noch geschwind zum Fleischermeister um ein Stück Fleisch zu gehen, dann gleich die Gäste einzuladen und während diese am Tisch Platz nehmen die Kartoffelknödel zu salzen, die man aber noch gar nicht zubereitet hat. Pointiert gesagt: So kocht man nicht. Genauso schreibt man Inhalte nicht getrennt von Verweisen. In Einzelfällen mag es vorkommen, dass ein Verweis vergessen wurde. Das ist ähnlich einem Tippfehler, das kann man übersehen. Und es kann vorkommen, dass jemand schon Gedanken schriftlich formuliert hat, die den eigenen Gedanken in der eigenen wissenschaftlichen Arbeit sehr ähnlich sind. Aber in größerem Umfang riechen inhaltliche, erst recht wortwörtliche Dubletten ganz klar entweder nach Unvermögen, (wissenschaftlich) korrekt zu arbeiten oder nach bewusstem Vorsatz.


Plagiate sind eine Frage des professionellen Zuganges, ein moralisches, ein (wissenschafts)ethisches und am Ende des Tages auch ein nicht unerhebliches rechtliches Thema. Den größten Wirkungshebel hat aber der dritte Aspekt der inhaltlichen Validität von Kommunikation, nämlich „ob das stimmt, was da kommuniziert wird.“


Wie wirklich ist die Wirklichkeit

Menschen hatten schon immer unterschiedliche Wahrnehmungen und damit unterschiedliche Bewertungen und Realitäten – und folglich subjektive Beurteilungen, was „richtig“ ist oder nicht. So ist die individuelle Bewertung von Kommunikationsinhalten immer schon sehr dehnbar, relativ, letztlich subjektiv gewesen. Watzlawick stellte zurecht die Frage in den Raum, wie wirklich denn die Wirklichkeit sei. KommunikatorInnen haben diesen Freiraum stets genützt und Inhalte bzw. Sachverhalte mit einem „Frame“ versehen, also ihrer Kommunikation einen „Spin“, eine „Deutung“ gegeben.


Beispiel: Jonas - ein vorbildlicher Musterschüler oder ein egoistischer Streber?

Dazu ein plakatives einfaches und fiktives Beispiel: Jonas ist 15 Jahre alte und hat lauter „Sehr gut“ in seinem AHS-Semesterzeugnis.


- Frame 1: Jonas ist ein fleißiger und wissbegieriger Jugendlicher, der Freude an der Schule und am Lernen hat. Er ist sicherlich voll in die Klasse integriert, hat viele Freunde und ist ein Vorbild für andere. Er hat noch viel vor.


- Frame 2: Jonas muss mit so einem Zeugnis wohl ein bisserl ein Nerd sein, ein Egomane, der nur besser als andere sein will, ein Streber, der wohl kaum Sozialkontakte zu anderen hat. Er wird sicherlich einmal ein Fachidiot, der in seiner eigenen abgeschlossenen Welt leben und weltfremde Entscheidungen treffen wird.


Gleiche sachliche Basis, zwei extrem unterschiedliche Deutungen: Beide Aussagen lösen im Empfänger etwas völlig anderes aus. Dieses kleine Beispiel zeigt, dass diese dritte Form der inhaltlichen Validität deutlich größeren und disperseren Impact hat, als Rechtschreibfehler oder das Missachten von fremdem geistigen Eigentum (ohne beides bagatellisieren zu wollen).


Doch wer entscheidet nun, was inhaltlich valide – im Sinne von richtig und wahr – ist und was nicht? Letztlich ist die „Validierung“ des Kommunikationsinhaltes dem Empfänger selbst überlassen. Er kann das durch das Einholen eines direkten Eindruckes machen oder indem er hinterfragt, wie der Absender bisher kommuniziert hat, wie sehr die Inhalte bisher „richtig“, „korrekt“, „valide“ waren. Oder er nimmt als Referenz den gesellschaftlichen Konsens aus Wissenschaft, kollektivem Wissen und Expertensicht her.


Nun ist zu beobachten, dass dieser persönliche Validierungsprozess immer weniger in der Breite funktioniert: Die Unmittelbarkeit einer Prüfung ist in Zeiten der Komplexität, Geschwindigkeit und Informationsüberflutung für den Einzelnen kaum mehr möglich.


Die inhaltliche Reflexion und Bewertung, der Abgleich mit anderen Kommunikationsinhalten und das Hinterfragen der Quellen ist heute – digital Change sei Dank – hingegen besser und effizienter denn je möglich. Aber mangels Zeit, Priorität und manchmal wohl auch aufgrund persönlicher Barrieren passiert dieser eigenständige Validitätsgegencheck nicht oder nur unzureichend.


Und last but not least fällt auch der gesellschaftliche Referenzrahmen als Validitätsfilter immer mehr weg: ExpertInnen wird von immer mehr Menschen nicht geglaubt, denn sie würden inhaltlich schlicht falsch liegen (da ist er wieder, der Frame „Fachidiot“) oder eine „hidden agenda“ verfolgen oder von anderen finanziell o.ä. abhängig sein. Es ist eine spannende Entwicklung, dass immer mehr Menschen glauben, unabhängig von ihrer eigenen Vorbildung ihre persönliche Sacheinschätzung und Erfahrung über jene eines Experten stellen zu können – mit „Hausverstand“ eben. ;-) Überspitzt gesagt: Viele halten sich selbst für den Experten - für fast alles.


Diese Veränderung der inhaltlichen Bewertung und Selbsteinschätzung wird zusätzlich von Dritten gezielt befeuert - und für ihre eigenen Interessen genützt. Ein mit 11. Jänner 2021 Noch-Präsident eines großen Landes ist dafür ein gutes Beispiel. Oder so manche sich selbst als aufgewacht bezeichnende Bewegung in der aktuellen Corona-Krise. „Alternative Facts“ sind ein geflügeltes Wort. „Fake News“ werden dann plötzlich auch Fakten bezeichnet, die objektiv absolut untermauert sind. Richtig ist so nicht mehr, was evident und fachlich fundiert ist, sondern was individuell geglaubt wird oder ins eigene Bild passt.


Ich erinnere mich dazu an einen Beitrag, den ich vor vielen Jahren während meines Studiums an der Johannes Kepler Universität Linz gelesen habe. Den Namen des Autors habe ich nicht mehr im Kopf, aber eine Kernaussage seines Beitrages ist mir in Erinnerung geblieben: Seiner Meinung nach ist Mathematik eine rein menschliche Konvention.

Dass also 2 + 2 = 4 gilt, hätten wir übergreifend – der These des Autors nach – gesellschaftlich „vereinbart“, es sei aber nicht per se unumstößlich.


Mathematiker werden dem jetzt leidenschaftlich widersprechen und die naturwissenschaftliche Herleitung als Validierung heranziehen. Aber genau das passiert immer öfter:

· Beispiel Brexit-Diskussion – den harten Fakten zufolge hat der Brexit mehr Nachteile als Vorteile für die Gesellschaften, sowohl in Großbritannien als auch in der EU.

· Beispiel Corona-Krise – obwohl die harten Fakten eine Risikoeinordnung von SARS-CoV2 ermöglichen, wird das von vielen Proponenten der öffentlichen Kommunikation ausgeblendet, verzerrt oder gänzlich in Abrede gestellt. Dass dann noch ein amerikanischer Geschäftsmann den Menschen mit der Corona-Impfung kleine Mikrochips einpflanzen will, das Corona-Virus durch den Mobilfunkstandard 5G verbreitet wird oder die Welt im Hintergrund von einer geheimen Macht in eine völlige Abhängigkeit gelenkt werden soll und Corona dafür nur das Vehikel ist, nimmt gerade in den sozialen Medien breite Formen individueller und öffentlicher Kommunikation ein. Und macht nicht nur Stimmung, sondern Verhalten.


Die Validität dieser Inhalte wird dabei von vielen nicht einmal annähernd hinterfragt und validiert, dafür aber der Content ungefiltert multipliziert und repliziert.


Die inhaltliche Validität von Kommunikation ist ein Thema, das uns immer und überall begleitet – nicht nur, wenn es um Plagiatsvorwürfe bei wissenschaftlichen Arbeiten geht. Und es ist ein Breitenthema, das nicht nur KommunikatorInnen bewegt. Ich möchte sogar so weit gehen: Die inhaltliche Validität der Kommunikation und der Umgang damit hat sich in den vergangenen 10, 20 Jahren zu einem gesellschaftlichen Game-Changer entwickelt – mit viel positiver Kraft und enormer destruktiver Sprengkraft. Das wird uns alle – allen voran Politik, Entscheider und KommunikatorInnen – noch sehr fordern.

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