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2020: wirklich alles überraschend?

Autorenbild: Peter WeixelbaumerPeter Weixelbaumer

Hallo Leute, 2020 hätte wohl so niemand so vorhergesagt. Oder doch? Beim Verfassen dieses Blogbeitrages suchte ich im Netz nach Prognosen für 2020. Dabei kam mir ein Horoskop für 2020 (erschienen im Dezember 2019) auf den Schirm, das global stark spürbare Veränderungen und Verwerfungen vorhersah.(1) Die URL (siehe Fußnote) legt ein nachträgliches Feintuning zum Geschichtsverlauf nahe ;-), aber anyway. Ich will auf etwas ganz anderes hinaus.

Dass 2020 eine globale Pandemie die Welt in Atem hält und Gesundheits-, Wirtschafts- und Sozialsysteme enorm fordern würde, hatte Ende 2019 - Horoskope hin und Trendforscher her - niemand nur annähernd am Radarschirm. Grundlegende Warnungen vor einer schweren globalen Pandemie gab es zwar immer wieder, aber Filme wie „Outbreak“ hatten trotzdem stets die Anmutung von Science Fiction. Denn das kollektive Gedächtnis hat schwere globale Pandemien der Vergangenheit bereits gelöscht, sie sind zu lange her, um durch Zeitzeugen noch Wirkung in der Gegenwart zu zeigen (z. B. Spanische Grippe früh im 20. Jahrhundert, Pest im Mittelalter). Dabei ist die klassische Influenza letztlich auch nichts anderes als eine alljährlich wiederkehrende globale Pandemie unterschiedlichen Ausmaßes – aber an die Grippe haben wir uns gewöhnt und empfinden sie nicht als Pandemie.(2) Am 31. Dezember 2019 wurde das neuartige Virus SARS-CoV2 nach einer sich rasant ausbreitenden Lungenkrankheit, Covid-19, im chinesischen Wuhan der WHO gemeldet bzw. thematisiert.(3) Buchstäblich die ganze Welt außerhalb Chinas hielt dies über Wochen für ein rein regionales chinesisches Problem. Mir ist noch ein Interview mit einem Virologen im Jänner im Kopf, der beruhigende Worte fand, dass sich aus dem lokalen Epidemiebrennpunkt kein überregionaler Flächenbrand entwickeln könnte. Nur weniger Wochen später war aber genau das der Fall. Für mich persönlich war Sonntag, der 24. Februar 2020, jener Tag, an dem mir klar wurde: Das Thema wird zur globalen Herausforderung für uns alle. (https://bit.ly/38uHxov). Zu diesem Zeitpunkt sprach man in Österreich noch von Grenzkontrollen zu Italien, weitere Maßnahmen oder gar ein Lockdown waren für die breite Bevölkerung noch nicht absehbar. Ich habe in der Folge von einem sogenannten „Black Swan Event“(4) geschrieben (https://bit.ly/3hcIRjJ), also einem Event, das extrem selten und äußerst unwahrscheinlich ist. Nun, eine Pandemie in dieser Form ist kein alltägliches Geschehen. Dennoch müssen sich die politischen Verantwortlichen von der globalen WHO über die supranationale Europäische Union bis hin zu den Nationalstaaten der Frage stellen, warum man nach SARS und MERS in den frühen 2000er Jahren so am falschen Fuß erwischt werden konnte. Das weltweit holprige Pandemiemanagement war längst nicht alles: Unsere Gesellschaft wurde durch Corona gleich mehrmals am falschen Fuß erwischt – und doppelt bitter: Vieles davon war letztlich keine große Überraschung, sondern schon vor Februar 2020 ein Problem:

  • Fehlende Digitalisierung in der Schulausbildung

Österreichs Schulsystem war Anfang 2020 in Sachen Digitalisierung noch längst nicht in der Jetzt-Zeit angekommen: nicht in breiter Form in den Lehrinhalten, nicht in der flächendeckenden Ausstattung der Schulen und nicht bei einem Großteil der Lehrer – weder im Mindset, noch in der inhaltlichen Kompetenz, noch in der verfügbaren Infrastruktur. Man muss den Bildungspolitikern der letzten 30 Jahre die Frage stellen: Warum nicht? Mehrere Monate nach Ausbruch der Pandemie hat sich hier einiges geändert: Der digitale Fernunterricht ist in weiten Teilen in einen strukturierten Routinebetrieb übergangen, digitale Plattformen wie MS Teams werden für den virtuellen Unterricht konstruktiv genützt. Die Coronakrise hat hier einen längst notwendigen Change ausgelöst, die so notwendige Weiterentwicklung hat aber gerade erst begonnen und ist längst nicht abgeschlossen.


  • Potentiale der Digitalisierung im universitären Bereich

Weniger Defizite, aber dennoch spürbares Potential herrschte Anfang 2020 an den Universitäten und Fachhochschulen. Auch hier hat Corona zum so wichtigen Digitalisierungsschub beigetragen. Es geht dabei nicht um ein Dogma oder eine Mode: Digitalisierung ist der wesentliche Veränderer unserer Gesellschaft. Wer hier als Person wie als Gesellschaft ins Hintertreffen gerät, wird nicht nur weniger erfolgreich sein und bleiben, sondern sich die Veränderungen von anderen diktieren lassen müssen. Das sollten wir uns weder als Österreich noch als Europa antun, denn daran hängt von Wohlstand bis zur sozialen Sicherheit alles ab. Die österreichische Politik hat wenige Monate nach Beginn der Coronapandemie die Errichtung einer neuen Digital-Universität in Oberösterreich verkündet. Völlig neu soll sie sein, den digitalen Wandel als Herzstück ins sich tragen. Der Beobachter musste aber feststellen: Althergebrachte Traditionen und Mechanismen begannen sofort nach Verlautbarung zu laufen und es begannen sich die verschiedenen Interessensgruppen in Stellung zu bringen. Es bleibt abzuwarten, ob hier wirklich etwas Neues entsteht oder durch Verteilungskämpfe um den „Kuchen“ schlicht „more of the same“.


  • Zunehmend schwierigere Erreichbarkeit ganzer Bevölkerungsgruppen

Die Coronapandemie hat auch einen Trend ins Rampenlicht gerückt, der schon über geraumeren Zeitraum zu beobachten ist: die zunehmend schwierigere Erreichbarkeit ganzer Bevölkerungsgruppen. Ich habe das Phänomen bereits rund um die Brexit-Volksabstimmung in Großbritannien thematisiert (https://bit.ly/34zwARh).

Der Trend zeichnet sich viele Jahre ab. Die Theorie der vollständigen Erreichbarkeit aller Menschen und des Homo Oeconomicus als völlig rational denkendes und handelndes Wesen waren schon immer praxisfern. Spätestens seit den 1980er Jahren hat sich aber der Trend, dass ein zunehmender Kreis an Menschen alles was vom Staat bzw. vermeintlichen Eliten als Meinung oder Vorgabe kommt, nicht nur in Frage stellen, sondern ablehnen.(5) Man spricht mittlerweile von etwa 20 % der Bevölkerung in den Industriestaaten, die sogenannten Verschwörungstheorien eher Glauben schenken als Botschaften von Politik, Wissenschaft oder Entscheidern. Die Coronakrise hat dieses Phänomen, das sich schon über die vergangenen Jahre verstärkt hat, an die Oberfläche der öffentlichen Betrachtung gespült. Ein Blick in die sozialen Medien und die dahingehend extrem ambivalent und intensiv, ja polarisierend geführten Wortmeldungen genügt.

Jede Organisation spiegelt einen Querschnitt der Gesellschaft wider, d.h. dieses Informations- und Bewertungsverhalten trifft auch Unternehmen, Interessensvertretungen usw. Ihre Mitarbeiter werden trotz Digitalisierung und Individualisierung der Channels und Botschaften zunehmend schwerer erreichbar – weil sie der Informationsüberflutung überdrüssig sind, Inhalte nicht als relevant wahrnehmen. Und: weil sie den Inhalten von „denen da oben“ kein Vertrauen (mehr) entgegenbringen.

Es wird eine der zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft und auch der des Managements in den Organisationen sein, die Menschen wieder besser zu erreichen und inhaltlich zu berühren. Denn auf die Organisation fokussiert: Jedes einzelne Teammitglied ist mit seinem Verhalten für den Erfolg der Organisation mitverantwortlich. Fazit Corona hat uns 2020 weltweit überrascht. Begleitende Phänomene mit ähnlicher Wucht – die Digitalisierung und den gesellschaftlichen Meinungs- und Wertewandel – hat Corona nochmals enorm gepusht und in den Lichtkegel der Betrachtung gerückt. Bei aller Unbequemheit sind das positive Effekte des heurigen Krisenjahres: Denn die Entwicklungen finden statt, doch der jahrelang verdeckte Handlungsbedarf ist jetzt in der Breite angekommen. Und hat zumindest in ersten Schritten 2020 auch bereits stattgefunden. Doch die notwendige Journey of Change hat erst begonnen. Bleiben wir dran!



[1] https://www.welt.de/icon/service/article204258642/Horoskop-Wurde-hier-Corona-vorhergesagt.html

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Epidemien_und_Pandemien

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Schwarze_Schwan_(Nassim_Nicholas_Taleb) [5] https://www.derstandard.at/story/2000121955526/warum-menschen-an-eine-verschwoerung-glauben

 
 

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